Kontext

  

Betrüger bringen die Wissensarbeit in die Krise: Wer Dialektik und die psychiatrische Fachsprache beherrscht, der kann grenzenlos jeden Schwachsinn formulieren, und ihn in das Gewand des Akademischen stecken. 

Mit dieser These lebt der gelernte Briefträger Gerd Uwe Postel jahrelang vergnüglich und von allen angesehen, wenn auch zwischendurch im Knast. Er brachte es ohne Abschlüsse als "Theologiestudent" zu einer Audienz beim Papst, und als "Psychiater", "Arzt" und "Psychiater" bis zum Oberarzt im Psychiatrischen Krankenhaus Zschadrass und in der Nähe des sächsischen Sozialministers zu höchsten Ehren. Er war dort von November 1995 bis Juli 1997 als Oberarzt tätig; sein früherer Chef  Horst Krömker, hat dem falschen Arzt nach der Probezeit überdurchschnittlich gute Leistungen bescheinigt. Vor Gericht gab er jedoch an, dass Postel medizinische Entscheidungen stets an seine Kollegen verwiesen habe. Während seiner Zeit als Oberarzt habe Postel keinem Patienten geschadet. In dem sächsischen Krankenhaus war der Angeklagte von einer Ärztin enttarnt worden, die ihn auf einem Foto aus seiner Zeit als falscher Amtsarzt Dr. Dr. Bartholdy in Flensburg zufällig erkannt hatte. Dadurch flog der Schwindel auf und Postel ergriff die Flucht. Eine Leipziger Staatsanwältin soll ihn kurz zuvor telefonisch gewarnt haben, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorliege. Im Mai 1998 wurde der gebürtige Bremer nach fast einjähriger Flucht in einer Telefonzelle in Stuttgart festgenommen. Die Anklagepunkte: Betrug und Urkundenfälschung in besonders schwerem Fall, Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen sowie Amtsanmassung.

 

Er verstand sich in

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der arglistigen Irreführung von Zulassungsbehörden

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der Vorspiegelung und Unterdrückung von Tatsachen, z.B. als Empfehlung von sich selbst unter dem Namen eines Professors

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der Fremdbestimmung seiner Mitmenschen, z.B. des zuständigen Ministers, dem er seinen Karrierenplan, einfach durch Bestätigung dessen aufgeblasenem Egos, schmackhaft machte. Bei seinen sächsischen Kollegen kam der 1,94 Meter grosse Mann gut an. Wo immer sich Postel bewarb - fast alle Türen standen ihm offen. So muss er sich in Leipzig auch für ähnlich gelagerte Fälle der Berliner Staatsanwaltschaft verantworten. 1993 und 1994 hatte sich der Angeklagte in verschiedenen Städten erfolgreich als Arzt beworben. Zuvor verschafft er sich noch selbst die besten Empfehlungen: Er gab sich laut Anklage telefonisch als "Professor Dr. von Berg" aus und empfahl seinen angeblichen Assistenten "Dr." Postel für die entsprechenden Stellen. In einem Fall trieb ihn allerdings das schlechte Gewissen zum Rücktritt. Als Rentengutachter bei der Landesversicherungsanstalt in Stuttgart habe er wegen des besonders guten Verhältnisses zu seinen Kollegen nicht weiter arbeiten können, heisst es in der Anklageschrift.

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der Umsetzung seiner Bereicherungsabsicht; ohne Medizinstudium und Doktortitel schaffte es der gelernte Postbote, Anstellungen mit jeder Menge Verantwortung zu bekommen. So erstellte er laut Anklage in 25 Gerichtsprozessen psychiatrische Gutachten über die Schuldfähigkeit von Angeklagten. Insgesamt soll er ein Bruttogehalt von 202.929 Mark kassiert haben.

Dafür sieht das Gesetz Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei gewerbsmässigem Betrug bis zu 10 Jahren vor. Der Besagte wurde vom Landgericht Leipzig wegen Urkundenfälschung, Amtsanmassung und Betrug zum Nachteil des Freistaats Sachsen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. 

Er ist inzwischen auf Bewährung wieder frei und hat ein Buch geschrieben, in dem er sich als »gestörten, unserer Hilfe bedürftigen Menschen« diagnostiziert. In perfekter Mimikry wiederholt er sämtliche gegen sich erhobenen Vorwürfe, attestiert sich Narzissmus, Grössenwahn und eine angeborene Mathematikschwäche. Er lebt jetzt als Autor und verkauft als Strahlemann Hochstapelei als schöne Kunst, die Leute einmal mehr zum narren haltend: »Ich will damit nicht die Einschätzung meiner Gutachten durch Prof. Leygraf in Frage stellen«, höhnt der gewesene Dr. med. Gert Postel, »denn es ist ja evident, dass man selbst mit der Vorlage des Felix Krull ein minderwertiges Buch über Hochstapelei schreiben kann.« Kann man, es heisst »Doktor-spiele. Geständnisse eines Hochstaplers« (Eichborn: Frankfurt 2001, 192 Seiten, 36 Mark) und verdient einen Platz gleich links von der Dialektik der Aufklärung

In einem Lexikon der ausgestorbenen Berufe müsste Postel einen Ehrenplatz einnehmen, doch es gibt ihn nicht mehr, den Hochstapler; sein Typ wird nicht mehr nachgefragt. Der Bedarf hat sich verlagert. Seit sie klassenlos geworden ist, befleissigt sich die ganze Gesellschaft der Aufschneiderei, drängt hinein in die Talkshows, in die Premieren und Vernissagen, flüchtet sich ins Partygeflüster der Bunten und weiss sich am Ende nichts Schöneres, als mit dem Bundesverdienstkreuz am Revers den Stammtisch zu beeindrucken. Werner K. Rey bekam für seinen 6 Milliardenschwindel 5 Jahre; ein guter Stundenlohn...

Betrüger#2 und #0 verfügen über folgende, an sich erstrebenswerten Eigenschaften

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überzeugendes Auftreten

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rhetorisches Geschick, mit dem sie sich vor Falsifizierung schützen; so dass man mit ihren Aussagen eigentlich nie eine Probe aufs Exempel machen kann

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Kenntnis der relevanten Begriffssprache und fachspezifischen Terminologie

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Soziale Intelligenz, Einfühlungsvermögen

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Menschen- und Systemkenntnisse

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Mut zur Leidenschaft und auch Skrupellosigkeit gegen Konkurrenten und eigene empathische Regungen für ihre Opfer zwecks Ausnützung deren Ängstlichkeit, Abhängigkeiten, Entscheidungsschwäche, Autoritätsgläubigkeit, Kritikschwäche, Narzissmus, Dummheit und Gier  

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Delbrück sprach schon 1891 von ihren Fähigkeit zur "Pseudologica phantastica" durch Selbstwerterhöhungsfabulation, auf deren Bühne sie wie Schauspieler oder Para- und Geisterwissenschaftler, in ihren Rollen den Anschein einer virtuelle Wahrheit und Wirklichkeit von sich geben.

Weil mit dem Betrug, bis hin zur Sucht, ein euphorisch berauschendes Erfolgserlebnis verbunden ist, werden damit verdächtige, die auch als mildernde Umstände vorgebracht werden könnten, überspielt, wie etwa

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systematisches Defizit zwischen Schein und Sein, bzw. Traumatisierung

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zusätzliche chronischer oder situativer Substanzmissbrauch - den sich "gute" Betrüger, die eher über die Massen zurechnungsfähig zu sein bemüht sind, gar nicht leisten können

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einengende Lebensführung

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Stereotypisierung von Verhaltensweisen

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häufige soziale Konflikte ausserhalb ihrer Delinquenz

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ausgeprägte emotionale Labilität vor ihren Taten aus Stress und Versagensangst

Dafür zeichnen sich Betrüger dadurch aus, dass sie

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ihre Taten langfristig vorbereiten (000-Intellektuelle gehen jahrlang an die Uni)

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die Fähigkeit und die Geduld haben, den rechten Augenblick zu wählen, bzw. darauf zu warten

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sich auch mit und in einem langgezogenen und komplexen Tatgeschehen zu behaupten

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therapieresistent sind (über 50% Rückfallquote) und eigentlich nur auf eine Lebensform ansprechen, die ihnen noch mehr Freude bereitet, wie wir das von den Abzockern mit ihren goldenen Fallschirmen und den Pensionen der Autoritäten in Politik und Wissenschaft kennen

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sogar aus der Therapie ihre Lehren für ihre zukünftige Karrieren zu ziehen vermögen und damit oft noch effizienter zu betrügen lernen

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ein geringes Schuldbewusstsein haben, denn sie erkennen die "legalen", bzw. politisch korrekten Betrügereien und fühlen sich oft mit ihren Fähigkeiten im Vergleich dazu überlegen, weil sie es geschaffen haben, das schlechte Gewissen überwindend, Profi zu werden

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die mangelnde Gewissensbildung ausnützen und fördern, und keine Autorität verinnerlichen, sondern es vielmehr verstehen, die Gruppendynamik zu ihren Gunsten zu nutzen  

Jeder Wichtigtuer versucht sich heute in Hochstapelei, und weil es doch am Gelde nirgends fehlt, braucht die hochstapelnde Gesellschaft nichts dringlicher als Insignien. Verzweifelt sucht sie nach Distinktionsmerkmalen, die bestätigten, was man sich wert ist: Status, Rang oder wenigstens die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Elite. 

In dieser volldemokratisierten Protzsucht wirkt der gelernte Postbote Gert Postel plötzlich wie eine ehrliche Haut. Er mag ein rechtskräftig verurteilter Schwindler sein, daneben und vor allem darüber hinaus ist dieser Erzgauner, auch Frauenverderber und ehrlich bemühte Heiratsschwindler eine Kunst- und Lehrfigur. Macht sich mit scheinnaivem Charme an Damen heran, vorzugsweise Akademikerinnen, gern auch ein bisschen älter als er. Sagt ihnen auf den Kopf zu, dass bei ihnen »etwas brach liegt«, bietet seine Abhilfe an, offenbart sich schnell als Gernegross und erlernt, sobald der Liebesdienst getan, im Mundraub ihre Profession: Jurisprudenz, Medizin, gern auch Psychologie.

Damit foppt er die akademische Welt, die auch nicht besser ist! Lernfähigkeit war schon immer die klassische Aufsteigertugend: Gert Postel bildete sich während der letzten zwanzig Jahre auf dieser privaten Nahuniversität fort, als wäre seine Unmündigkeit selbstverschuldet, lernt bei Bedarf im Crash-Kurs alles über Betäubungsspritzen in die Kopfhaut, damit Haartransplantationen möglichst schmerzfrei vor sich gehen, waltet allein kraft seiner gelehrigen Verstellungskunst als Amtsarzt, Psychologe, Gutachter. Scheinbar mühelos erschliessen sich ihm die Finessen des juristischen Jargons und, ganz wichtig für ihn: Er eignet sich die Gutachtersprache an. Wer es bisher nicht wusste, dass die deutschen Ärzte (wie die Juristen und die Gutachter auch) ein verkommenes Gezücht sind, titelsüchtig, obrigkeitshörig und mit wenig Interesse an ihren Patienten belastet, der erfährt es durch sein Buch. So wirft er die Fackel der Aufklärung in Politik und Wissenschaft! 

Ihn drängt's schon sehr nach oben, »empor«, wie der sächsische Nationaldichter Karl May formulierte, »ins Reich der Edelmenschen«. Am liebsten sitzt er, den Merkur aufgeschlagen, im Garten des Literaturhauses in Berlin, herrscht Frauen an, ob sie überhaupt Abitur hätten, und bietet dann seine Nachhilfe an. Einer Bekanntschaft sagt er Gedichte von Robert Gernhardt auf, »die ich ständig in meiner Brieftasche trug, um sie bei Gelegenheit als meine ausgeben zu können«. Als Hochstapler legt Postel nämlich Wert auf »elitären Stil« und achtet auf Niveau, liest, wenn ihm jemand zuschaut, Schopenhauer und Shakespeare. »Mit der Lektüre von Konsalik oder Karasek würde ich keine Minute verschwenden.« 

Auch bei der Presse verkehrt er nur in den besten Kreisen. Hochstapelei? Es geht noch höher. Der Spiegel wird aufmerksam; schliesslich wurden dort einst »Barschels schmutzige Tricks« entlarvt. Der Chefredakteur kommt eigens nach Berlin geflogen, um sich mit Postel über den Fall zu besprechen. Weiss er was, weiss er mehr? Der Chefredakteur ist neu im Amt, und Postel beobachtet ihn: »Hier sitzen zwei Hochstapler, der eine hat es zwar auf ehrliche Weise ohne Studienabschluss zu etwas gebracht, aber die Schuhe, die er sich jetzt gerade angezogen hat, sind ihm etwas zu gross.« Der Spiegel zahle normalerweise keine Informationshonorare, versichert Stefan Aust dem Informanten Postel, aber es gebe »natürlich auch Ausnahmen«. Postel verlangt 40000 Mark bar und steuerfrei. Der Spiegel »liess mich zwei Tage von drei seiner besten Faktenhuber abschöpfen«, erfuhr doch nichts Neues und zahlte nicht anders als das Zschadrasser Krankenhaus. Das nennt man Abschöpfen. Also mal ehrlich: In welchem Buch erführe man soviel über das unermüdliche Aufklärungsbemühen der Presse?

Es gibt keine Hochstapler mehr - weil man sie unter den zu vielen einfach nicht mehr ausmachen kann...

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Es gab sie noch, die integeren Wissensarbeiter: Ein Nachbar meiner Eltern war z.B. Zeuge, wie bei einer Grenzüberweisung ein Nazischerge einer zu überweisenden Frau das Baby entriss, diese es festhielt, bis im der Arm ausgerissen wurde. Darauf hat dieser Nachbar, der auf der Schweizer Seite Wache stand, vor Entsetzen in die Luft geschossen.

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Im Schweizer Parlament drückt man sich jedoch nicht nur um den Bergierbericht (hat Aufgaben gemacht, die er so gar nicht vom Bundesrat bekommen hat, hat Zeitzeugen und Fakten ausgeblendet, um tendenziös mit dem eigenen Standpunkt politisch Einfluss zu nehmen und trotzdem wird das Budget dafür von 5 auf 22 Millionen aufgestockt) und ist auf dem besten Weg, das Land von der Mediokratie der Demokratie zurück in die Korruptheit des Ancien Regimes zu verführen. Darin würde eine Swissair-PUK die Aufmerksamkeit von den wahren Verantwortlichern ablenken macht man uns weis, um nichts zu tun. 

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Und die "künstlerische" Freiheit, die an Schwarzkunstschulen im Namen der obersten Lehr- und Bildungsanstalten (die, gemäss der 2002 in Revision befindlichen aber noch gültigen Ordnung der Universität Zürich, ihre Studierenden in Wissen und Gesinnung zu tüchtigen Vertretern der akademischen Berufe heranbilden soll), und an der Expo.02 im grossen Stil Substanzvernichtung betreiben kann, müsse Respekt vor jedem Menschenleben zeigen sagt man, wenn man die Autoritäten aufs Korn nimmt, oder "lassen Sie mich in Ruhe" wenn man die Ordininaria für klinische Psychologie für sie, wie sie das nennt, unangenehm (wohl weil sie sich nicht gewohnt ist, auf der schwachsinnigen Seite erwischt zu werden), mit solchen Tatsachen berührt... 

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Die Expo.02 Führung hat dazu den Weg ins Neue Jahrhundert vorgespurt, und in der Wirtschaft ist es das Regime der Managerkaste ja schon weitgehend Tatsache, der man kaum noch erfolgsversprechend widersprechen kann - wie etwa den Abzockbegehren der Swissairmanager nur neun Monate nach deren Debakel... 

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Dass die Degeneration sich in 10 Jahren einfach wieder zum Besseren wenden sollte, ist Wunschdenken. Wenn es so dann einfach (so nach Bundesrat Deiss) weiter geht, sind wir in der EU. Bekanntlich fressen sich die Amerikaner u.a. zu Tode, und wir sind dabei, ihnen in der dazu führenden Mentalität zu folgen; 2001 betrugen nur schon die Kosten der Drogenrepression in der Schweiz bis zu 290 Million Franken. 

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Als Drögeler hatte man wenigsten im Nationalrat Siebers Fürsprache gehabt, doch kaum jemand hat in diesem Land Zeit und Geld für wirklichkeitsorientierte Forschung, wie ich sie seit 1980 betreibe: Es gibt nicht nur im Alten Testament ein Point of NO Return für eine degenerierende Kultur, die ihre Wissensarbeit nicht mehr Ernst nimmt

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Gerade Deutschland unter den Nazi hat Zeugnis dafür abgelegt! Damals war die Globalisierung aber noch nicht Tatsache, nur Wahnidee; die Herausforderung für die Schweiz war damit damals im Prinzip kleiner als heute, wo der Wahn postnormal geworden ist. 

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Doch damals gab es genügend integere Wissensarbeit wie z.B. den St. Galler Polizeikommandanten Paul Grüninger. Er wurde allerdings, gemäss Medien und Zeitzeugen, auf einen Hinweis des Vaters von Bundesrätin Dreyfus, eines massgebenden Juden, beim St. Galler Regierungsrat dafür gemobbt

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Das hat auch dazu führte, das eben einige Juden zurück ins Reich, in den sichern Tod geschaffen worden sind. Über deren Zahl hat der Bergierbericht laut zuverlässigeren Quellen mindestens dreimal zu hoch gegriffen, und eben keine Klarheit geschaffen. Hauptsache, das Volk bleibt damit verwirrt, so dass die Zeitgeistqualität "skeptische Kritik" bei den Systemhütern und damit einmal mehr die Kirche im Dorf, bzw. der Definitionsmacht im Staat bleiben kann, Menschenleben als Terroristen hin, oder durch Kollateralschäden und Willkür her...

   Kontext: Grundlagen reeller Humansysteme 


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