Dagegen ist die architektonische und szenographische Gestaltung des Prototypen
der zukünftigen eidgenössichen Mentalkonditionierungsanstalt ganz
auf das einzelnen Subjekt ausgerichtet und vermittelt ein intensives
Raumerlebnis. Bilder, Geräusche, Musik und sublime leise Fragen regen es an, über
das eigene Ich hinaus nach- und mitzudenken. Bei diesem autonomen Nachvollzug
der Selbstbetrachtung soll bewusst werden, dass das Individuum Teil einer
kulturellen, sozialen und politischen Gemeinschaft ist. Das Ich ist war zwar
bis jetzt die Urzelle jeder Form gemeinschaftlichen Zusammenlebens bis hin zum
komplexen Staatsgefüge. Doch jetzt wird man letztlich als bloss zufälliger
Besucher, Irrläufer in einer im
Dunkeln ablaufenden Geschichte, irrelevant. Für Konzept und Realisation ist letztlich das Innenministerium post-verantwortlich. Die mehrdeutigen Schichtungen des Bodens und der
Wurzeln unserer Existenz sollen bei der Vernetzung nach innen und aussen
mitspielen. Dem Eintretenden in die Dunkelheit der Geschichte öffnet sich ein
einziger dunkler Grossraum. Er soll die Assoziation eines offenen,
auch wenn im Prinzip, das nur eingeweihten Systemhütern zugänglich ist,
geschlossenen, Universums, wecken. Die dunkeln Wände, und die für
den Raum komponierte Musik, täuschen grenzenlose Weiträumigkeit
vor. Zwölf Stege führen auf eine Plattform zu einem riesigen Bett. Für den
BesuchInnen wird offensichtlich, dass im Raum nichts Weiteres mehr ausgestellt ist. Er oder sie
inklusive Kind, ist Subjekt und Objekt der Anschauung, Akteur und Teil
der mental konditionierenden Inszenierung. Die Liegebetten, die wie Bienenwaben auf der Plattform für sie/in/es
warten, sind Symbole für Gemeinschaft oder Staat. Legt sich der Besucher
in eine dieser weich gepolsterten Mulden, fühlt er den Körperabdruck des Vorgängers
und sorgt im selben Augenblick für einen neuen. Er wird sich bewusst, dass vor
ihm schon jemand da war, und nach ihm eine andere Person kommen wird. Den Blick
von der Liege aus nach oben, woher das Mass aller Dinge kommt, gerichtet, erscheint ihr das vom Innenministerium politisch korrekte Ebenbild. Mal gross, mal klein, neben den Momentaufnahmen anderer MentalarbeiterInnen,
taucht es als Porträt in den themenbezogenen Bildprojektionen des monumentalen
Deckenbildes auf. Für einen Augenblick sieht sich der Betrachter face en
face als Betrachter seiner, bzw. seines Anscheins, selbst, und erlebt ein
seltsam gedoppeltes Leben, als käme man von weit her oder fliege weit
weg. In diesem Kosmos ist alles in Bewegung und jede Bildkombination
einmalig, d.h. unerfüllt, sinnlos. Aus einer Vielzahl von Einzelidentitäten
entsteht eine Zufallsgemeinschaft, entsprechend der wirklichen
Gesellschaft, deren kollektive Identität sich ebenfalls laufend
verändert. Während diesem Zustand scheinbarer Schwerelosigkeit dringen aus
kleinen Lautsprechern im Kopfbereich sublime, ernste, lustige, banale und grosse
Fragen zum Betrachter und regen zum postnormal beliebig mitdenkenden
Nachdenken über das zerfliessende eigene Ich an. So z.B. ob man
andere töten könne...“anything goes“ wie im wirklichen Leben: Es sprechen Frauen, Männer, Kinder in verschiedenen Sprachen und Dialekten, zuweilen mit Akzent. Die mittlerweile 40 sprachige Vielsprachigkeit und das Hin und Her zwischen Sprachen und Kulturen bilden die so eingeprägte Neue Identität unseres Landes. Dessen laufend neu geschaffene, fliessende Formen von Ich- und Wir-Struktur, verdränge jede Vorstellung eines Schöpfers und uns als seiner Geschöpfe in SEINER Schöpfung! Ziel des Innenministeriums ist, dass niemand den Innenraum der dem Anschein nach als Erdziegels konzipierten Anstalt mit einer klareren Vorstellung darüber verlässt, wer er oder sie bzw. es nun wirklich ist. Damit kann dann das an die postnormalen Universitäten outgesourcte Wahrheitsministerium die weiteren Updates deren Mentalbetriebsysteme übernehmen, nachdem die Subjekte durch das intensive Erlebnis von der den Zeitgeist störenden Frage nach dem eigenen Ich desensibilisiert sind. Das von da ab nur noch virtuell Erlebte, wird sich dann in seiner Einmaligkeit mühelos im Gedächtnis einprägen. Diesem wbi-"wer bin ich" Mentalvirus will man bis Oktober 2002 700'000 Subjekten vermitteln. Davon traumatisiert wird er, wenn immer er durch bestimmte Auslöser angeregt wird, nachher im Mentalbetriebsystem der Betroffen, und damit auch bei anderen epidemische weiter verführende Verwirrung. Eben darüber, wer man ist, wer wir zu sein haben, und was wir gemeinsam brauchen und wollen, damit die Wirtschaft effizient läuft, und das Innenministerium dafür mit seinem Infotainment und nicht allzu hohen Krankenkassenprämien, alles soweit im Griff hat, damit wir EU- und UNO konform gemacht werden können. Alle weitere Fragen werde an der expo.02
in Yverdon, zum Thema „Ich und das Universum“ im Pavillon „Wer
bin ich“ selbstverständlich nicht mehr von der Bibel her,
beantwortet. Auch die Kirche ist ja dort von Jean Nouvels Konzept eines mentalen
Supermarktes vereinnahmt, in Murten Teil der vergänglichen Ewigkeit geworden. Damit versiegen alle noch persönlich relevanten Gespräche im unendlichen
Fluss der Neuen Virtualität; auch die über Jean Nouvels Honorar von
angeblich fünf Millionen Franken für Beratung für seine Rosthaufen, oder
über das Wissen von George W. um den 11.9.2001, die Debakel und Abzocker etc.;
Franz Steinegger sei Dank, wofür ihm der Sonntagblick vom 26.5.02 den nächsten
Bundesratssitz anvirtualsiert... Die Landesausstellung von 1883 in Zürich war eine Leistungs-, die in Genf von 1896 eine Folklore-, und die in Bern von 1914 eine Industrieschau. Bei der Landi von 1939 stand die geistige Landesverteidigung im Vordergrund und die EXPO 1964 war ein Aufbruch in die Moderne. Die Expo.02 dagegen ist nur noch eine Themenschau, welche die kollektiv ungelösten Probleme beschönigt virtualisiert, und das individuelle Erlebnis auf die Berichterstattung darüber und auf ein inhaltsleeres Spiel mit Ada, dem intelligenten Raum mit der Potenz eines Fliegenhirns zurück stuft. Und sich selbst darauf einzulassen, ist für viele Zeitgenossen noch zuviel verlangt....
|